Rich Lambert ist der Creative Director von The Elder Scrolls Online und wir haben mit ihm im Rahmen der Gamescom 2024 gesprochen. Dabei wollten wir wissen, wie gut es ESO derzeit geht, wie gut die Erweiterung Gold Road angekommen ist und wie die Zukunft des MMORPGs aussieht.
Alex: Hallo Rich und danke für das Interview. Als ich letztes Jahr mit deinem Kollegen Matt Firror gesprochen habe, hat er betont, wie gut es damals für ESO lief. Wie sieht das jetzt, ein Jahr später und nach dem Release von Gold Road, aus?
Rich: Es sieht gut aus, richtig gut. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt schon verraten kann, weil wir noch im Stream darüber reden, aber wir haben inzwischen die Zahl von 25 Millionen Spielern geknackt. Wir wachsen weiter und befinden uns in einer guten Situation. Die Spieler sind glücklich und das ist großartig.
Wie wichtig ist es für ESO, dass neue Spieler in das MMORPG strömen? Mit dem Release einer Erweiterung kommen vor allem alte Spieler zurück, oder? Aber auf das ganze Jahr gesehen, wie wichtig sind da die neuen Leute?
Rich: Sie sind ein sehr wichtiger Teil unserer Community. Das Spiel bekommt ständig frisches Blut und das ist wichtig und hält auch das Spiel selbst frisch. Es hilft auch deshalb, weil sie ja nur am Anfang neue Spieler sind und dann zu Veteranen werden.
Kannst du uns in etwa sagen, wie die Mischung zwischen Veteranen und neuen Spielern aussieht?
Rich: Etwa 50:50.
Das ist mehr, als ich erwartet hätte.
Rich: Ja, aber es ist ein gutes Zeichen, es ist gesund für das Spiel.
Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass viele Veteranen nach einer gewissen Zeit wegbleiben, oder? Woran liegt das deiner Meinung nach?
Rich: Unser Spiel ist so aufgebaut, dass es eine Art zyklischen Charakter hat, wo die Spieler zu den Dingen hingezogen werden, die sie mögen. Und wenn sie diese Sache beendet haben, legen sie ESO weg und kommen vielleicht irgendwann zurück. Wir haben also einen großen Zustrom von Spielern, die jedes Mal wiederkommen, wenn wir einen neuen Story-Inhalt veröffentlichen. Viele spielen es wie ein Einzelspieler-Spiel.
Im Juni, wenn wir ein neues Kapitel herausbringen, kommen sie zurück und spielen wieder. Sie spielen die Story durch, legen es beiseite und kommen irgendwann zurück.
Es gibt auch andere Spieler, die nur PvP spielen wollen. Also spielen sie das, und sie bekommen so viel wie möglich, und dann legen sie es weg und warten, bis sich im PvP etwas ändert. So ist ESO nun mal aufgebaut und das ist auch die Art, wie wir es unterstützen – gerade mit unserem Release-Zyklus.
Zudem gibt es andere Spiele da draußen. Es gibt mehr Konkurrenz. Es gibt mehr Veröffentlichungen. Und die letzten 2 Jahre waren einfach unglaublich für Spiele im Allgemeinen. Und einige Leute zocken dann andere Spiele und wenn sie damit fertig sind, kommen sie zurück.
Wie können wir den Schmerz für Rückkehrer weniger schmerzhaft machen?
Bist du denn zufrieden mit dem Einstieg in ESO, der New-Player-Experience?
Rich: Die kurze Antwort lautet nein. Wir müssen das besser hinbekommen. Ich glaube, wir haben uns in den vergangenen Jahren so sehr darauf konzentriert, neue Dinge einzubauen, die Welt zu erweitern, all die neuen Aktivitäten zu bringen, dass wir uns nicht unbedingt so intensiv damit beschäftigt haben.
Was erlebt ein neuer Spieler, wenn er das Spiel betritt? Was sehen sie? Wie finden sie sich zurecht und wissen sie, wohin sie als Nächstes gehen sollen? Darin müssen wir uns also verbessern. Das ist etwas, das wir uns ansehen, und dasselbe gilt auch für wiederkehrende Spieler.
Wenn man ein Jahr lang aussteigt, kommt man zurück und hat vielleicht 4 Updates verpasst, und in 4 Updates ändert sich eine Menge. Woher weiß man dann, was sich geändert hat? Woher weißt du, was du zuletzt gemacht hast?
Es ist schmerzhaft, wenn du zurückkommst, dich einloggst und alle deine Championpunkte zurückgesetzt werden. Du denkst. Du denkst: „Ich weiß nicht mehr, wo meine Champion-Punkte waren.“ Wie können wir diesen Schmerz weniger schmerzhaft machen? Ich denke, dass diese Art von Fragen für uns wirklich wichtig sind, wenn wir in die Zukunft blicken.
ESO macht es auch unglaublich einfach, wieder in das MMORPG einzusteigen – ohne ein neues Level-Cap und eine neue Ausrüstungsstufe. Vermisst ihr es manchmal, einfach alles nach oben zu schrauben und das Spiel komplett durchzurütteln?
Rich: Das haben wir damals mit den Veteranenrängen gemacht. Danach sind wir dann später zu dem Championpunkte-System übergegangen. So etwas haben wir regelmäßig gemacht, und die Spielerbasis war es leid, dass das so oft passiert. Sie hatten es so satt, dass sie sehr wütend darüber waren, dass es wiederholt passierte.
Also haben wir angefangen, uns ein wenig mehr auf die horizontale Entwicklung zu konzentrieren. Das war bei uns schon immer so, aber wir wollten den Spielern mehr Aktivitäten in der Welt bieten – wie das Kartenspiel, das neue Schriftlehre-System, die Antiquitäten. Solche Dinge, bei denen sie weiterhin das Spiel spielen und die Welt erkunden können, aber auch andere Möglichkeiten haben. Sie müssen nicht jedes Mal die ganze Arbeit vom Vorjahr zunichtemachen und wieder von vorn anfangen. Das ist etwas, gegen das die Spielerbasis wirklich rebelliert hat.
Das Antiquitäten-System ist tatsächlich eines meiner Lieblings-Systeme in ESO. Da Kartenspiel hingegen gehört nicht zu meinen Interessen. Gibt es Spieler in ESO, die sich neuen Content dafür wünschen?
Rich: Auf jeden Fall. Es gibt Spieler, die nichts anderes machen, als sich in ESO einzuloggen und dann 8 Stunden das Kartenspiel zu spielen. Es gab sogar einen Spieler bei der Taverne dieses Jahr, der das Kartenspiel als physische Version nachgebaut und dann mit uns gespielt hat. Das war unglaublich.
„Sie wünschen sich das Spellcrafting aus Oblivion, aber das ist unmöglich nachzubauen“
Die neue Schriftlehre ist ein System, das ebenfalls gemischt in der Community ankommt. Was glaubst du, woran das liegt?
Rich: Wir haben das Feedback definitiv gehört, vor allem vom Endgame. Sie wünschen sich das Spellcrafting aus Oblivion, was man in einem Onlinespiel, in dem man sich um die Balance kümmern muss, unmöglich nachbauen kann. Aber wir waren auch sehr vorsichtig damit. Wir wollten die Balance damit nicht zerstören. Und deshalb haben wir in den letzten Updates und jetzt auch mit Patch 43 einige Dinge verbessert.
Wir haben ein paar Zahlen geändert, um sie ein bisschen mehr mit den anderen Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Im Kern sind wir aber super, super glücklich mit dem System. Zum Start gab es über 45.000 einzigartige Kombinationen von Fähigkeiten.
Und mit Patch 43, den wir gerade am Montag herausgebracht haben, haben wir einen Haufen weiterer Inhalte hinzugefügt. Jetzt sind wir bei über 55.000 einzigartigen Kombinationen von Fähigkeiten. Es gibt also viele Möglichkeiten, diese Fähigkeiten zu optimieren, damit sie zu eurem Build passen. Aber wir hören immer wieder, dass die Spieler am Ende des Spiels sagen: „Wir haben alle Buffs, also sind diese Fähigkeiten für uns nutzlos.“
Na ja, ihr seid ja auch das oberste 1 Prozent der Spielerpopulation, und nicht jeder hat das Interesse an einem perfekten Minmaxing. Aber wir haben das Feedback natürlich gehört.
Also überlegt ihr, die Fähigkeiten noch etwas stärker in der Zukunft zu machen?
Rich: Wir haben bereits einige Änderungen vorgenommen. So kamen drei neue Frost-Skripte dazu. Wir haben in diesem Update noch ein paar mehr gemacht, aber es ist einfacher und sicherer für uns, sie langsam zu verbessern, als sie in einem kaputten Zustand zu veröffentlichen und dann nachbessern zu müssen.
Die Spieler hassen es, wenn man den umgekehrten Weg geht. Wir wollen also wirklich vorsichtig sein, weil es sich um ein riesiges System handelt, das das gesamte Spiel betrifft.
Wir wollen, dass die Spieler ihre fantastischen Kreationen teilen
Ein weiteres Feature aus Patch 43 sind Housing-Anpassungen. Warum habt ihr euch für Anpassungen an diesem Inhalt entschieden?
Rich: Wir haben den Patch am Montag herausgebracht und ich hatte nur die Gelegenheit, mich kurz im Hotel einzuloggen, um zu sehen, dass es Tausende von Einträgen gibt. Und der Service war erst seit kurzer Zeit verfügbar. Das wirklich Coole an den Hausbesichtigungen ist, dass es den Spielern erlaubt, ihre Kreationen mit anderen zu teilen.
Als ich während der COVID eine Zeit lang gestreamt habe, war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, die Häuser zu besichtigen und die Kreativität der Häuser zu zeigen. Und es war wirklich schwierig, in diese Häuser zu kommen, weil ich den Namen von jemandem haben musste. Sie mussten auf der Freundesliste stehen. Mit diesem Tool kann man einfach auf einen Knopf drücken und sagen: „Ich möchte das in die Hausbesichtigungsseite stellen, und jeder kann dorthin gehen, es empfehlen und sich ansehen. Und natürlich die Kreativität der Spieler sehen.“
Teilweise stellen sie Szenen aus Filmen und Büchern nach oder bauen diese unglaublichen Raumschiffe und Drachen und all die andere Dinge, die wir nie beabsichtigt haben. Aber die Spieler waren einfach in der Lage, Assets zu nehmen und sie zusammenzufügen und diese wirklich coolen Dinge zu bauen, das ist wirklich fantastisch und unfassbar. Und wir wollten den Spielern erlauben, diese Dinge zu teilen.
Ich würde gerne nochmal auf Gold Road zurückkommen. Ithelia als Charakter hat mir sehr gut in der Story gefallen, aber ich wurde manchmal aus der Geschichte mit ihr herausgerissen, weil es so viele Nebenschauplätze gab. Seid ihr zufrieden mit der Umsetzung der Story?
Rich: Wir sind ziemlich zufrieden mit ihr und damit, wie sie sich entwickelt hat, und vor allem mit der Art von Charakter, die sie ist. Aber natürlich, man blickt zurück und fragt sich: Hätten wir dies besser machen können? Hätten wir das besser machen können? Ich bin mir sicher, dass es Dinge gibt, besser umsetzbar gewesen wären, aber im Großen und Ganzen ist sie eine brillante Figur, die sich von all den anderen Daedra-Prinze abhebt. Und das war das, was wir am meisten erreichen wollten.
Sie ist einfach ein sehr, sehr interessanter Charakter. Es ist das erste Mal, dass man eng mit dem daedrischen Prinzen zusammenarbeitet und tatsächlich mit ihm spricht und ihm auf seiner Reise hilft.
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Gold Road ist das bestbewertete Kapitel, das wir je gemacht haben
Wie wurde die Erweiterung generell von der Community angenommen?
Rich: Sehr gut. Sie lieben das Visuelle, sie lieben die Geschichten. Ithelia hat ihnen sehr gut gefallen. Im Großen und Ganzen haben die Leute wirklich Spaß an der Schriftlehre. Es gibt natürlich ein paar Dinge, an denen wir noch feilen müssen, um die Balance zu halten. Die Tinte war zeitweise ein Problem. Die Spieler wollten unbedingt Zugang zu mehr Tinten haben, damit sie mit den verschiedenen Kombinationen experimentieren können. Sie hatten das Gefühl, nicht genug zu haben, also mussten sie sparen und horten. Aber im Großen und Ganzen ist es wirklich sehr gut.
Es ist unser bestbewertetes Kapitel, das wir je gemacht haben. Ich glaube, das Einzige, was noch höher bewertet wurde, war Orsinium, was Sinn ergibt.
In Necrom habt ihr den Patch im 4. Quartal etwas anders aufgebaut, ein neues Feature gebracht, statt euch auf die Story zu fokussieren. In diesem Jahr macht ihr das wieder andersherum. Wieso?
Rich: Nun ja, ich würde nicht sagen, dass der Patch im 4. Quartal einen Story-Fokus hat. Wir haben bereits Änderungen am PvP angeteasert und wir bringen neue Gefährten.
Aber wir haben ja noch einige offene Fragen am Ende der Geschichte von Gold Road?
Rich: Ich glaube, da ist noch etwas offen. Und werden wir eine Antwort für die Dinge im 4. Quartal und darüber hinaus bekommen. Ihr werdet es dann sehen.
Werdet ihr auch künftig neue große Features in das 4. Quartal packen?
Rich: Letztlich hängt es davon ab, wo die Entwicklung der Dinge, an denen wir arbeiten, abgeschlossen wird und wie sie in das Gesamtjahr passt. Manche Dinge sind etwas einfacher zu entwickeln, manche Dinge sind etwas schneller fertig. Andere Dinge brauchen etwas mehr Zeit.
Wir haben uns vorgenommen, jedes Jahr die 4 großen Updates zu machen. Alle 12 Wochen bringen wir etwas auf den Markt, also werden wir das auch weiterhin tun. Aber was genau darin enthalten ist, kann schwanken, je nachdem, woran wir gerade arbeiten und wo es passt.
Und wird es manchmal langweilig, sich an einen so festen Zeitplan zu halten?
Es ist nie langweilig. Ich meine, wir wissen, dass manche Spieler die Inhalte, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, ein wenig zu formelhaft finden. Also wollen wir das ändern. Ich werde euch nicht genau sagen, wie wir das machen werden, aber wir wollen das ändern. Und wir hören zu und werden daran arbeiten.
Habt ihr vielleicht sogar schon Ideen, was große Features in der Zukunft sein könnten? Manchmal habe ich das Gefühl, dass es schwer ist, die Spieler noch zu überraschen.
Rich: Die Ideen sind nicht das Problem. Wir haben ein unglaublich kreatives Team, das sehr divers ist, wenn es um Dinge geht, die sie mögen und nicht mögen. Es ist also nie so, dass wir keine Ideen für die Zukunft hätten. Es ist eher die Frage, was wir in der Zeit und mit unseren technischen Möglichkeiten umsetzen können.
Gab es jemals Dinge, die ihr umsetzen wolltet und wo es nicht geklappt hat?
Rich: Es gibt etwas, das wir sogar inzwischen umgesetzt haben: das Housing. Das war eine große technische Herausforderung, bei der es am Anfang hieß, dass es gar nicht möglich sei. Unser großartiges Technik-Team hat es jedoch geschafft und nun haben wir ein beeindruckendes Housingsystem mit hunderten Häusern und tausenden Dekorationen.
Etwas, was ich gerne noch im Spiel hätte, ist ein Physik-System. Also die Vorstellungen von sich bewegenden Plattformen, verrückten Aufzügen oder ähnliche Dinge. Wir haben es geschafft, manche Inhalte zu faken, aber sich wirklich bewegende Elemente, das klappt aktuell noch nicht.
Änderungen am Kampfsystem sind ein zweischneidiges Schwert
Ein großer Diskussionspunkt rund um ESO ist da Kampfsystem. Einige halten es für perfekt, anderen fehlt die Wucht, das Trefferfeedback und deshalb fühlt es sich etwas „floaty“ an. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, das Kampfsystem zu überarbeiten?
Rich: Das ist eine wirklich interessante Frage, denn wir bekommen dieses Feedback oft. Wenn man sich anschaut, was wir mit dem Arkanisten gemacht haben, und wie diese Fähigkeiten sich anfühlen, wie sie klingen und aussehen, dann denke ich, dass das eine Art Goldstandard ist. Aber es ist auch ein zweischneidiges Schwert, weil es viele Spieler gibt, die einfach den Kampf und das, was sie haben, lieben, und wenn wir versuchen, etwas zu ändern, werden sie sauer.
Man denke nur an Templer und die Fähigkeit „Harsche Hiebe“. Wir haben sie überarbeitet, um die visuelle Darstellung zu verbessern und es einfacher zu machen, das Weaving zu nutzen und sie wirkungsvoller zu machen. Dann gab es eine lautstarke Gruppe, die meinte, wir sollten die alte Version wieder einführen. Damit müssen wir also sehr vorsichtig sein, weil wir nicht all die Leute verärgern wollen, die lieben, was sie derzeit haben.
Vielen Dank Rich für das Interview!